Ein Blick zurück und einer in die Zukunft: die Hochschulen im Süden Vietnams
Nicht zuletzt das vom DAAD Vietnam veranstaltete Alumnitreffen “The future of science, studying and work” am 13. Mai in Ho-Chi-Minh-Stadt mit weit über 100 Teilnehmerinnen und Teilnehmern aus allen Teilen des Landes zeigte erneut, wie diversifiziert und profiliert die Hochschulen im Süden Vietnams in den vergangenen Jahren sind und wie engagiert sich die Alumni und Alumnae des DAAD im akademischen Austausch zwischen den beiden Ländern einbringen. Die key notes aus Vietnam und Deutschland zu den Themen eines arbeitsmarktbezogenen Studiendesigns, einer digital gefestigten Kommunikations- und Lehrkultur, fokussierter Internationalisierung (auch “at home”) und schließlich eines unternehmerischen und zugleich forschungsorientierten Geistes mit ambitionierten internationalen Akkreditierungen zeigen über das Alumnitreffen hinausgehend die Anstrengungen vietnamesischer Hochschulen an internationale Standards anzuschließen.
So wird beispielsweise nicht mehr ausschließlich nach noch mehr Möglichkeiten für vietnamesische Studierende gesucht so kostengünstig wie möglich nach Übersee zu gelangen und zum Nulltarif ausländische Expertinnen und Experten nach Vietnam zu holen, sondern zu begreifen, dass akademische Zusammenarbeit ein quid pro quo ist und nun vietnamseits in die andere Richtung agiert werden muss: vietnamesische Dozentinnen und Dozenten nach Deutschland zu schicken und für deutsche Studierende ein attraktiver Standort für jedenfalls ein Austauschsemester zu sein – Multiplikatoreneffekte eingeschlossen.
Dass Animositäten gegen die Onlinelehre, nicht nur vorübergehend in der Pandemie abgelegt, sondern vielmehr Methoden zum business as usual hin professionalisiert wurden, dass Hierarchien, auch wenn sie dem konfuzianischen Weltverständnis widersprechen, zugunsten einer denkenden und nicht nur theoretisches Wissen wiederkäuenden Studierendenschaft jedenfalls betrachtet und reflektiert werden, mag dabei ferner illustrieren, dass Autoritäten vorsichtig hinterfragt werden und Studierende potentiell im Mittelpunkt stehen können.
Dass es nicht funktionieren kann und wird, unterbezahlten Hochschullehrerinnen und -lehrern Höchstleitungen in Forschung, Lehre und Administration (und dies alles in tadellosem Englisch) abzuverlangen, zeigt sich in mittlerweile einigermaßen respektablen Gehaltsschemata mancher Saigoner Hochschulen und dass dies der Weg ist, einem brain drain in die Industrie, ins Ausland oder in die akademische Mittelmäßigkeit nicht hilf- oder interesselos zuzusehen, sondern entgegenzuwirken, ist common sense geworden und wird nicht mehr nur theoretisch erwogen – manche, auch staatliche Hochschulen in Saigon und nicht nur diejenigen ausländischer Provenienz erarbeiten Konzepte oder sind schon dabei, attraktive Gehälter auch für Dozentinnen und Dozenten außerhalb ASEAN zu bieten, um sie nach Saigon zu holen.
Dass, in a nutshell gesagt, Vietnam gut 30 Jahre lang nach der Öffnung in den späten 1980er Jahren nach internationaler Anerkennung gestrebt und sie wohl in mancher Hinsicht erreicht hat und auch die Hochschulen nicht mehr nur gegen die Altlasten sowjetischer Prägung aufstehen, sondern ein, (wenn auch wohl gezwungenermaßen) unternehmerischer und aufgeschlossener Geist Einzug hielt und gerade in Studiengangdesigns und im Hochschulmanagement Innovatives zu erkennen ist (so begleiteten wir in Saigon den Prozess eines vollständig online angebotenen MBA-Programms mit einer deutschen Hochschule) – all das spricht für und nicht gegen ein Engagement deutscher Hochschulen in diesem überaus zukunftsorientierten Land, in dem gleichwohl langjährige Verbundenheit und Treue gegenüber deutschen Partnern an Hochschulen sich mehr als nur opportun hält, sondern unterstützt und ausgebaut wird – gerade in europäischen Förderkontexten.
Die genannten Sichtwechsel in den verschiedenen hochschulischen Leistungsbereichen tragen zu einer Profilschärfung insbesondere der Universitäten in Saigon bei und es sind hier vor allem die Ho Chi Minh University of Technology (www.hcmut.edu.vn/en), die Ton Duc Thang University (www.tdtu.edu.vn/en) und die Vietnam National University mit ihren sieben Mitgliedshochschulen (www.vnuhcm.edu.vn) zu nennen, zu denen auch die An Giang University im Mekongdelta gehört (www.agu.edu.vn/en). Im Delta, das durch die Eröffnung der neuen Autobahn am 30. April nun in unter drei Stunden Fahrtzeit leicht zu erreichen ist, ist ferner als größte Universität die Can Tho University zu erwähnen (www.en.ctu.edu.vn). An all den genannten Institutionen finden Sie aufgeschlossene, motivierte und kompetente Kolleginnen und Kollegen sowie Studierende aus vor allem ingenieur- und naturwissenschaftlichen Fachbereichen, aber auch in den Wirtschafts- und Gesellschaftswissenschaften können die Institutionen punkten.
In eigener Sache
Stefan Hase-Bergen hat Ihnen in den vergangenen Jahren all die Vorteile – vom demographischen (ca. die Hälfte der vietnamesischen Bevölkerung ist unter 30 Jahre alt; das Durchschnittsalter liegt bei 33,2 Jahren – in Deutschland bei ca. 45 Jahren) und systemischen (Hochschulautonomie) über das bedrohliche (die Pandemie und ihre hoffentlich vorübergehenden Verwerfungen) bis hin zu aktuellen DAAD-Aktivitäten und politischen Entwicklungen geschildert und wird dies auch weiterhin tun. Auch ich habe den einen oder anderen Blog geschrieben und Ihnen den Süden Vietnams näher zu bringen versucht. Mit der ersten Delegation, die seit dem Pandemieausbruch in der vorvergangenen Woche hier in Saigon war, macht sich Zuversicht breit, wieder da fortfahren zu können, wo wir ab Februar 2020 weitgehend improvisieren oder auch pausieren mussten. Es freut ungemein zu sehen, dass das Interesse der deutschen Hochschulen an den vietnamesischen nicht verschwunden ist, sondern sich nur ausgeruht hat und ich darf Sie ermuntern, sich weiterhin zu engagieren, und sich bei Bedarf an uns in Vietnam wenden. Es verbindet sich mit diesen Worten schließlich die Bitte, dies zukünftig mit der DAAD-Außenstelle in Hanoi zu tun (hase-bergen@daadvn.org), denn meine Tätigkeit für den DAAD in Saigon endet im Juni und das DAAD-Informationszentrum Saigon wird im Dezember 2022 geschlossen.
Vorsorge diese Lücke zu schließen haben wir aber insofern getroffen, als nun ein noch dichteres Netz an DAAD-Ambassadoren – engagierte Alumni und Alumnae des DAAD und Deutschlands – an vielen Hochschulen des Landes tätig ist, die Sie sicherlich bei Ihren Unterfangen hier in Vietnam unterstützen. Vielleicht werfen Sie gelegentlich einen Blick auf den folgenden Link und entdecken ein bekanntes Gesicht, einen bekannt klingenden Namen:
http://www.daad-vietnam.vn/de/ueber-uns/daad-in-vietnam/daad-ambassadoren
Ich wünsche Ihnen, Ihren Studierenden und Ihren Institutionen alles Gute und the best of success. Bitte bleiben Sie Vietnam gewogen – es lohnt sich!
Mit herzlichen Grüßen aus Saigon und hen gap lai!
Ihr Berndt Tilp
(Ho-Chi-Minh-Stadt, 25. Mai 2022)