Hybride Formate in Hochschulkooperationen
Seit elf Wochen gibt es in Vietnam keine Corona-Neuansteckungen mehr. Die Hochschulen arbeiten seit dem 4. Mai wieder im Präsenzunterricht und sind dabei, den Unterrichtsstoff bis Mitte / Ende Juli durchzuarbeiten und die Semesterprüfungen abzuschließen.
Online-Unterricht fand in Vietnam bis zur Corona-Krise bei Hochschulen, Studierenden, Eltern und Lehrenden trotz der Befürwortung durch das Ministry of Education and Training (MoET) kaum Anerkennung. Allerdings fehlte bisher eine Regelung, die Online-Lehre mit dem Präsenzunterricht gleichstellte. Durch die Corona-Krise und die dreimonatige Schließung der Hochschulen hat jedoch der Online-Unterricht in Vietnam, wie überall auf der Welt, eine enorme Aufwertung erfahren, nicht zuletzt durch neue Richtlinien des MoET vom März 2020, die nun eine rechtliche Anerkennung des Online-Unterrichts gewährleisten.
Inzwischen wird die Krise auch als große Chance für die vietnamesischen Hochschulen gesehen, die Online-Lehre technisch und inhaltlich in starkem Maße voranzutreiben. Das MoET hatte dazu im April 2020 eine große Online-Konferenz mit den Hochschulen sowie wichtigen nationalen und internationalen ICT-Unternehmen durchgeführt. Ziel der Konferenz war es, Pläne für eine Digitalisierung der Hochschullehre über die Pandemie hinaus für die Zukunft gemeinsam zu erarbeiten. Auf der Konferenz wurde unter anderem deutlich, dass während der Schließung der Universitäten nur 110 von 237 vietnamesischen Hochschulen überhaupt Online-Unterricht angeboten hatten. Unabhängig von der durch COVID-19 ausgelösten Krise möchte nun Bildungsminister Phung Xuan Nha Online-Unterricht als “offizielle Lehrmethode” anerkennen. Denn er schätzt sie als einen wichtigen Bestandteil für die Verbesserung der Ausbildungsqualität in Vietnam ein.
Es ist davon auszugehen, dass die internationalen Mobilitätsströme von Studierenden sich weltweit stark verändern werden. Staaten, die mit der Corona-Pandemie nicht gut umgegangen sind, werden als Zielländer weniger gefragt sein. Dem gegenüber könnten Länder, die die Krise gut bewältigt haben, davon profitieren. Das gilt aus vietnamesischer Sicht neben den Hochschulen in der Region (v.a. Japan und Südkorea) auch für Länder wie Kanada oder Deutschland.
Stark verändern wird sich auch die Form des akademischen Austausches, der bisher fast ausschließlich physisch war. In Folge des durch die Pandemie ausgelösten Digitalisierungsschubes im Hochschulbereich werden in Zukunft virtuelle Austauschformate eine größere Rolle spielen. Diese werden physische Austausche, wenn sie wieder möglich sind, zwar nicht ersetzen, aber doch ergänzen. Hybride internationale Studienangebote werden an Bedeutung gewinnen, da Hochschulen weltweit und auch in Deutschland und Vietnam intensive Erfahrungen mit Online-Lehre gesammelt und sich damit vertraut gemacht haben.
Dabei kommt internationalen Hochschulkooperationen eine noch größere Rolle als bisher zu. In ihrem Rahmen können zum Beispiel gemeinsame hybride Lehrangebote und akademische Austauschformate entwickelt werden, die sowohl eine physische internationale Mobilität als auch ein virtuelles Auslandsstudium vom Heimatland aus ermöglichen.
Vietnamesische Hochschulen werden sich rasch auf diese neue Situation einstellen und mit ihren internationalen Partnern, insbesondere auch mit deutschen Hochschulen, virtuelle Studienangebote erarbeiten wollen. Das gilt umso mehr, da der Preis für den Erfolg Vietnams im Umgang mit der Pandemie eine weitgehende internationale Isolation ist: Weiterhin sind die Einreisemöglichkeiten sehr stark eingeschränkt. Es gibt kaum internationale Flugverbindungen und Einreisevisa werden nur für dringend benötigte internationale Expert*innen erteilt. Eine internationale akademische Zusammenarbeit kann also auf absehbare Zeit nur virtuell erfolgen. Hochschulkooperationen mit hybriden Austauschformaten sind deshalb wichtig, zumal viele Eltern nach der Corona-Krise nicht mehr über genügend finanzielle Mittel verfügen, um ihre Kinder für längere Zeit zum Studium ins Ausland zu schicken. Eine virtuelle internationale Studienerfahrung zu Hause ist dann ebenso eine Alternative wie ein Studium an einer der internationalen Hochschulen im Heimatland (zum Beispiel an der Vietnamesisch-Deutschen Universität, die gegenwärtig steigende Bewerbungszahlen verzeichnet). Auf lange Sicht werden und sollen virtuelle Studienangebote aber die reale Auslandserfahrung nicht ersetzen, sondern ergänzen.
Um die Hochschulen bei der Entwicklung virtueller Module in partnerschaftlichen Studiengängen zu unterstützen, hat der DAAD ein neues Programm entwickelt: Noch bis zum 16. Juli läuft die Ausschreibung für das Programm IVAC – International Virtual Academic Collaboration. Weitere Informationen finden Sie unter: http://www.daad.de/ivac. Die Antragunterlagen sind abrufbar unter: http://www.daad.de/go/pf57559011.
Mit diesem Beitrag verabschieden wir uns in die Sommerpause und wünschen Ihnen schöne Ferien. Bleiben Sie gesund!
(Stefan Hase-Bergen, 01. Juli 2020)