Zentren oder Peripherie? Zentren und Peripherie: Die Universitäten im Mekong-Delta (Teil 1): Can Tho Universität (CTU)
Als die CTU im Oktober 1966 als erste Universität südlich von Saigon für 985 Studenten ihre Pforten öffnete, war sie in der Absicht gegründet worden, neben anderen Universitäten des damaligen Südvietnams vor allem das Mekong-Delta zu versorgen. Über 50% der Studenten war in der sozialwissenschaftlichen Fakultät eingeschrieben, der Schwerpunkt auf den Agrarwissenschaften entwickelte sich erst später. Es fehlte am Nötigsten, Infrastruktur, Lehrpersonal, Ausstattung und grundsätzlich auch an Studenten – der “amerikanische” Krieg beherrschte beide vietnamesischen Staaten. Nicht weiter verwunderlich also, dass das “Viet-Nam Bulletin” der südvietnamesischen Botschaft in Washington 1969 – im Jahr zuvor wurden in der Tet-Offensive Teile der Universität zerstört – schrieb, die CTU sei “raw and unendowed” – ungeschlacht und (finanziell) unterversorgt. Eben 1969, drei Jahre nach ihrer Gründung, stellte die Universitätsleitung fest, dass der eigentliche Auftrag der Universität die Landwirtschaft sei, die man nur von Can Tho aus für das Delta bewerkstelligen könne. Diese Ausrichtung wurde auch nach 1975 konsequent verfolgt. Heute ist die CTU zu einer multidisziplinären Institution mit 17 Fakultäten mit ca. 54.000 Studierenden in 98 Bachelor-, 36 Master- und 15 Doktoranden- Programmen geworden (http://www.en.ctu.edu.vn/study-program), die weit über den agrarwissenschaftlichen Schwerpunkt hinausgeht und neben verwandten Disziplinen wie etwa Aquakultur, Lebensmitteltechnik, Pflanzenbau und ländliche Entwicklung auch Ingenieurs-, Natur- oder Wirtschaftswissenschaften umfasst.
Der Wille zur überregionalen Geltung spiegelt sich dabei in den Forschungsschwerpunkten wider– ein Forschungsvolumen von 1,5 Mio. EUR (2018) mit 33 lokalen und regionalen Partnern und über 600.000 EUR in internationalen Kontexten ist für vietnamesische Verhältnisse nicht unwesentlich, und damit verbundene ISI-Publikationen (2018: 131) sind eine erhebliche Anzahl. Die Forschungsgruppen sind in vielfältigen Ausprägungen exemplarisch in folgenden Feldern tätig (Stand: 2018): So beschäftigte sich das College of Aquaculture and Fisheries mit japanischen Partnern mit Aufzucht, Ernährung und ihren Auswirkungen auf Welspopulationen im Delta, das College of Agriculture untersuchte die Lebensmittelsicherheit der Essensstände in Can Tho (Maquarie University, Australien), die School of Education warf einen Blick auf die Lebensumstände der Schlammspringer im Delta (International Foundation for Science) und das Research Institute for Climate Change analysierte Problematiken der Bewässerung ebendort. So empfehlen sich mitunter diese Fachbereiche auch für deutsche Hochschulen.
Auch im Leistungsbereich der Internationalisierung ist die CTU nicht untätig: So bietet sie ein “Tropical Semester Programme” für ausländische Studierende an, Im internationalen Kontext sind Bachelorprogramme in der Biotechnologie mit der Michigan State University (USA) und der Aquakultur mit der Auburn University (USA) zu nennen. Und in der Forschung sind unlängst vor allem Kooperationen mit Japan im agrarwissenschaftlichen Kontext zu erwähnen (Japan International Cooperation Agency) und die Zugehörigkeit zum lebenswissenschaftlichen VLIR Netzwerk (Vlamse Interuniversitaire Raad) mit vietnamesischen und belgischen Partnern (u.a. Universität Leiden, Gent). Für Europa wird hier eine Ausrichtung deutlich, die sich auch in der Zahl der Doktoranden und ihrer hohen Güte zeigt: Während aus Frankreich und Belgien 71 abgeschlossene Promotionsverfahren und 37 Ph.D.-Projekte nachweisbar sind, sind es für Deutschland 20 bzw. sechs, in der Zusammenschau mit den genannten Themenkreisen sicherlich Zahlen mit Potential.
Der DAAD förderte deshalb im Rahmen einer DIES-Partnerschaft mit den Universitäten in Mainz und Potsdam sowie der Wirtschaftsuniversität Ho-Chi-Minh-Stadt von 2015-18 ein Projekt zum Qualitätsmanagement in komplexen Organisationen und der Hochschulkompass der HRK verzeichnet zudem eine Forschungskooperation im Bereich der Abfallwirtschaft mit der TU Dresden.
Und der Blick auf die Studierenden zeigt, dass die CTU hier keinen Vergleich zu scheuen braucht: In den Informationswissenschaften finden 98% der Absolventen innerhalb weniger Monate eine Arbeitsstelle, in den Lebenswissenschaften sind es 90% und in den Agrarwissenschaften 89%.
In der Qualitätssicherung ist die CTU institutionell und studiengangsbezogen durch den Nationalen Akkreditierungsausschuss bzw. das AUN-QA akkreditiert. International zeigen sich wesentliche Veränderungen: Im QS -Ranking (http://www.topuniversities.com) – wir hatten im September 2019 auf die Verbesserung mancher vietnamesischer Universitäten hingewiesen – ist die CTU unter den Top 400 Asiens gelistet. Der aus 2018 stammende Auftrag des Premierministers Nguyen Xuan Phuc an die CTU, bis spätestens 2025 zu den besten 1000 Universitäten weltweit zu gehören, wird hier gewiss zu weiterer Dynamik beitragen.
Auf einen Blick: Aus guten Gründen kann bei der CTU von einer nicht nur regional, sondern international regen Hochschule gesprochen werden, die aufgrund ihrer ehemaligen Randlage – heute sind Flüge aus Bangkok und Hanoi planmäßig und diverse infrastrukturelle Maßnahmen reduzierten die Fahrtzeit aus Saigon auf ca. drei Stunden – gemessen an Hochschulen Saigons nicht im Zentrum des Interesses deutscher Hochschulen stand. Es zeigt sich indes, dass starke Forschung und leistungswillige Doktoranden in den Nachbarländern Deutschlands nicht unbemerkt blieben, übrigens auch in den Niederlanden. Bei den Graduierten ist eine erfreuliche Quote bei der Integration in den Arbeitsmarkt zu verzeichnen. Befragt nach ihrem Interesse an der Zusammenarbeit mit deutschen Hochschulen, äußerte die CTU folgerichtig den Wunsch nach gemeinsamer Forschung in den oben genannten wissenschaftlichen Feldern, nach Austauschprogrammen sowie ferner der (gemeinsamen) Betreuung von Abschlussarbeiten, zuvorderst bei Doktoranden.
(Dr. Berndt Tilp, 24. Oktober 2019)