Wie "macht" man Internationalisierung an vietnamesischen Hochschulen?
Die vietnamesischen Hochschulen müssen und wollen sich weiter internationalisieren. Der Druck sowohl aus der Politik als auch der Gesellschaft, die Qualität in Lehre und Forschung zu steigern und auf internationales Niveau zu bringen, treibt die Hochschulen an. Eltern erwarten eine hochwertige Ausbildung ihrer Kinder, die diesen gute Karrierechancen auf einem sich stetig modernisierenden Arbeitsmarkt eröffnet. Zugleich ist sich die Regierung darüber im Klaren, dass eine internationalen Standards gerecht werdende Bildung und Forschung der Gefahr, als Billiglohnland in die middle income trap zu geraten, effektiv entgegenwirkt. Die Hochschulen sollen daher autonomer werden und mehr Gestaltungsspielräume bekommen, vor allem auch in der internationalen Zusammenarbeit. Hochschulautonomie, Stärkung der Forschung, verstärkter Praxisbezug in Lehre und Forschung, Qualitätssicherung und Akkreditierung sowie eben Internationalisierung sind wesentliche Ziele in der Reformierung des vietnamesischen Hochschulsystems.
Die meisten Hochschulen in Vietnam stehen aber erst am Beginn ihrer Internationalisierung. Zwar verfügen einige der besten Universitäten wie zum Beispiel die Hanoi University of Science & Technology, die Ho Chi Minh University of Technology, die Ton Duc Thang University in Ho Chi Minh City, die University of Da Nang oder die National Economics University in Hanoi bereits über etliche internationale Kooperationspartner. Aber wie fast alle Hochschulen in Vietnam sind auch sie weiter dringend auf der Suche nach weiteren Partnern, wobei deutsche Hochschulen hoch im Kurs stehen.
Besonders gefragt sind Austauschprogramme für Studierende, zunehmend auch in beide Richtungen. Um die eigenen internationalen Programme (“Advanced Programs”) zu unterstützen, sind auch Gastdozierende internationaler Hochschulen sehr gefragt. Aber neben der Internationalisierung der Lehre werden nun auch vermehrt Kooperationen in der Forschung, bei der Unterstützung beim Aufbau von Hochschulstrukturen und Studiengängen oder in der Qualitätssicherung nachgefragt.
Allerdings haben viele Hochschulen noch einen großen Lern- und Erfahrungsbedarf in der Umsetzung von Internationalisierung. Genau diesem Thema widmete sich ein DAAD-Workshop im zentralvietnamesischen Da Nang, an dem 90 Vertreterinnen und Vertreter von 50 Hochschulen aus Vietnam, Laos und Deutschland teilnahmen. Es ging unter anderem um Fragen zu Strukturen innerhalb der Hochschulen, um personelle und finanzielle Ressourcen, um Kommunikationsprozesse innerhalb der Hochschulen und mit externen Partnern oder um Verantwortlichkeiten bei der Umsetzung von Internationalisierungsmaßnahmen. Genau solche Fragen werden oft zu Herausforderungen in der Zusammenarbeit mit internationalen Partnern.
So mangelt es in den vietnamesischen Hochschulen oft an Personal in den International Offices, zumal die Mitarbeitenden dort in der Regel auch noch Lehraufgaben haben. Weitere ausgewählte Ergebnisse des Workshops waren:
- Eine gute und verlässliche Kommunikation ist wesentlich, auch um Vertrauen mit den internationalen Partnern zu schaffen.
- Die Hochschul- und Fakultätsleitungen müssen in Vietnam immer mit eingebunden werden, eine Kooperation mit den Partnern erfolgt auf hierarchischer Augenhöhe.
- Gute englische Sprachkenntnisse sind eine Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Internationalisierung. Aber gerade an Hochschulen in den Provinzen mangelt es daran häufig.
- Die Qualität in Lehre und Forschung ist wesentlich für eine nachhaltige Zusammenarbeit mit internationalen Partnern.
- Die Motivation der Lehrenden und Forschenden in den Fakultäten für Internationalisierung und ihr Engagement sind dringend erforderlich, um Lehre und Forschung an den Hochschulen international zu gestalten. Denn internationale Zusammenarbeit wird in erster Linie in den Fakultäten betrieben, die International Offices fungieren “nur” als unterstützende Serviceeinrichtungen.
- Man muss akzeptieren, dass ein Teil der Lehrenden und Forschenden kaum Interesse an einer Internationalisierung hat. Statt viel (zumeist erfolglose) Energie auf diese Gruppe zu verwenden, sollte man sich besser auf diejenigen konzentrieren, die bereit zu einem internationalen Engagement sind.
- Key Performance Indicators (KPI) können und sollten als wichtiges Instrument eingesetzt werden, um den Erfolg von Internationalisierungsmaßnahmen bewerten zu können.
- Erwartungsmanagement für Inbound mobility: Internationale Studierende, die an eine vietnamesische Hochschule kommen, sollten gut auf ihren Studienaufenthalt vorbereitet werden. Die Erwartungen sollten realistisch eingeschätzt werden, damit es zu keinen Enttäuschungen kommt.
- Schließlich: Internationalisierung ist ein “Muss” für die gesamte Institution Hochschule und eine Querschnittsaufgabe durch alle Bereiche einer Hochschule.
Viele dieser Erkenntnisse, die für deutsche Hochschulen selbstverständlich sind, wurden intensiv diskutiert und bedeuteten für Vertreterinnen und Vertreter gerade der Hochschulen, deren Internationalisierung noch am Anfang steht, Neuland. Aber die Bereitschaft und das Interesse, von internationalen Partnern sowie auch von Kolleginnen und Kollegen vietnamesischer Hochschulen zu lernen, sind groß.
Deutsche Hochschulen können daher davon ausgehen, dass der Grad der Professionalisierung vietnamesischer Hochschulen in der internationalen Zusammenarbeit kontinuierlich zunehmen wird. Zusammen mit dem Abbau bürokratischer Hürden und dem Anstieg der Qualität in Lehre und Forschung eröffnet das gute Kooperationsmöglichkeiten, insbesondere auch als echte Alternative zu den mühsamer werdenden Partnerschaften mit chinesischen Hochschulen.
Einen guten ersten auch bildlichen Einblick in die vietnamesische Hochschullandschaft bietet Ihnen übrigens das folgende, kurze DAAD-Video “Vietnam – Potentiale für deutsche Hochschulen”:
Vietnam – Potentiale für deutsche Hochschulen
Zum Ende dieses sicher nicht einfachen Jahres wünschen wir Ihnen nun frohe und erholsame Festtage und einen guten Rutsch in ein hoffentlich gutes Jahr 2023!
(Stefan Hase-Bergen, 14. Dezember 2022)