Corona-Virus - Die Situation in Vietnam
Vietnam mit seiner direkten Grenze zu China hat schon sehr früh und konsequent mit Isolationsmaßnahmen auf die Ausbreitung des Corona-Virus zunächst in China reagiert. Bereits seit dem vietnamesischen Neujahrsfest “Tet” Mitte Januar sind alle Schulen und Hochschulen geschlossen. Die Studierenden bleiben zu Hause, und auch die meisten Lehrenden sind nicht an den Hochschulen. Bisher gibt es nur wenige Online-Lehrangebote. An vielen Hochschulen hat man es den Lehrenden freigestellt, ob und wie sie die Studierenden online unterrichten wollen.
Wir gehen davon aus, dass Schulen und Hochschulen mindestens bis Ende April, eher sogar bis Mitte Mai geschlossen bleiben. Sollten sie dann wieder geöffnet werden, wird sich das Semester bis in den Sommer hineinziehen. Die für den Hochschulzugang in Vietnam wichtige nationale Oberstufenprüfung ist, Stand heute, auf den 8. August verschoben worden, sechs Wochen später als geplant.
Das frühzeitige und konsequente Isolieren in Vietnam hat dazu geführt, dass es bis heute – 17. März – nur 61 Corona-Fälle gibt, davon 16 im Februar, die alle wieder geheilt sind. Bisher gibt es hier keine Todesfälle wegen des Virus. Die Namen und Adressen der Infizierten sowie auch deren mögliche Infektionsherde werden in den Zeitungen genannt und ihre Wohngebiete sofort isoliert. Die Regierung führt nach eigenen Worten “einen Krieg gegen COVID-19”, der von der Gesellschaft trotz aller individuellen Einschränkungen voll mitgetragen und unterstützt wird.
Nachdem die vietnamesische Regierung in der vergangenen Woche die Reisefreiheit für acht europäische Länder, darunter Deutschland, aufgehoben hat, gilt seit gestern sogar eine Einreisesperre für Reisende aus dem Schengen-Gebiet und Großbritannien, zunächst für 30 Tage. Diejenigen, die einreisen können (z. B. Diplomaten), werden für 14 Tage in Quarantänelager gebracht. Da die Vorhersagen für Europa schlecht sind und die Krankheitszahlen weiter steigen werden, wird diese Sperre sicher verlängert werden. Zudem ist der Flugverkehr mit Europa stark eingeschränkt worden.
Das öffentliche Leben in Vietnam ist zwar noch nicht zum Erliegen gekommen, aber es ist auf den Straßen von Hanoi und Ho Chi Minh-Stadt deutlich ruhiger als sonst. Ich fahre täglich mit dem Bus zum DAAD-Büro an der Hanoi University of Science & Technology und brauche für die Fahrt in dem inzwischen leeren Bus Nr. 31 nur noch 25 statt 45 Minuten.
Europas Umgang mit dem Virus wird von vielen Vietnamesen als fahrlässig angesehen, man habe viel zu lange kaum und auch zu lax auf die Gefahr reagiert. Selbst China, extrem unbeliebt in der vietnamesischen Bevölkerung und Verursacher der Krise, wird ein besserer Umgang bescheinigt. Ergebnis: Wir erleben jetzt insbesondere als “Langnasen” aus dem Westen das, was Asiaten in Europa erleben: Wir stehen alle unter Generalverdacht, den Virus in Vietnam zu verbreiten. Immer mehr Hotels und Restaurants gewähren Ausländern keinen Zutritt mehr, die Ressentiments sind zum Teil deutlich spürbar.
Entsprechend strikt befolgen wir als Familie und im Freundeskreis die öffentlichen Regeln und tragen zum Beispiel in der Öffentlichkeit Mundschutz, wie es nun Pflicht ist. Dennoch fühlen wir uns aber noch sicher in Vietnam.
Für die deutschen Hochschulen wird COVID-19 auch spürbare Folgen haben, denn es ist anzunehmen, dass die Mobilitätszahlen von Vietnamesen nach Deutschland in diesem Jahr deutlich zurückgehen werden: Viele Eltern werden ihre Kinder nicht in das unsichere Europa schicken wollen.
(Stefan Hase-Bergen, 17. März 2020)